Standardwerk

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Standardwerk (oder Standardliteratur) ist die Bezeichnung für Werke, über deren Bedeutung innerhalb des jeweiligen Wissensgebiets ein breiter fachinterner Konsens besteht. Sie bilden entweder die communis opinio oder aber eine besonders einflussreiche Denkrichtung ab und gelten als unverzichtbarer Referenzpunkt bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit einem bestimmten Thema.

Funktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die allgemein anerkannten Inhalte von Standardwerken sichern die Kontinuität des Fachgebiets. Standardwerke „leisten eine gegenstandsbezogene Reduktion des Fachwissens“[1] und ermöglichen eine einfachere „Teilnahme an der Kommunikation“ des Fachs.[2] Sie erfüllen dadurch eine wichtige Funktion für die Kanonisierung von Wissen, da sie eine Verbindung zu Institutionen schaffen, „die das kanonisierte Wissen in ihre lebensweltlichen Zusammenhänge transferieren“.[1] Darüber hinaus erfüllt Standardliteratur bei der Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten einen zentralen Zweck. Sie dient dazu, Grundlagen bei dem bearbeiteten Fachgebiet darzustellen, auf die dann – zum Beispiel über vertiefende Literatur, aktuelle Ergebnisse aus dem Internet oder auch (selbst durchgeführte) empirische Analyse – aufgebaut werden kann. Dies gilt auch dann, wenn man von der communis opinio abzuweichen gedenkt. Darum ist es bei jeder wissenschaftlichen Arbeit grundlegende Voraussetzung, auf einer möglichst breiten (was nicht unbedingt heißen muss: quantitativ großen) Basis an Standardliteratur aufzubauen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Qualität der zugrunde gelegten Literatur.

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eines der frühesten Standardwerke war das im März 1776 von Adam Smith erschienene Buch Der Wohlstand der Nationen, mit dem die heutige Volkswirtschaftslehre begründet wurde.[3] Beispielsweise wird das seit 1915 in 24 Auflagen veröffentlichte Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache als Standardwerk der deutschen Sprachwissenschaft bezeichnet und als das Standardwerk der Etymologie der deutschen Sprache.[4] In der Orientalistik gilt das Arabische Wörterbuch von Hans Wehr, ein umfangreiches arabisch-deutsches Wörterbuch, als ein Standardwerk, sogar außerhalb des deutschsprachigen Raumes.[5] In der Mathematik wird das Buch Algebraic Geometry von Robin Hartshorne als Standardwerk der modernen algebraischen Geometrie angesehen.[6] Alle drei Werke sind in ihren Fachgebieten unter den Namen ihrer Autoren bekannt, das etymologische Wörterbuch als „der Kluge“, nach seinem ersten Bearbeiter Friedrich Kluge, das arabische Wörterbuch als „der Wehr“, das mathematische Lehrbuch als „der Hartshorne“ oder „das Buch von Hartshorne“.

Erstausgabe Autoren / Herausgeber Buchtitel Fachgebiet ISBN
1776 Adam Smith Der Wohlstand der Nationen (englisch An Inquiry into the Nature
and Causes of the Wealth of Nations
)
Volkswirtschaftslehre ISBN 978-3-7306-0018-4
1857 Akademischer Verein Hütte Hütte – Des Ingenieurs Taschenbuch Ingenieurwesen ISBN 978-3-433-00562-0
1883 Friedrich Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache Etymologie ISBN 978-3-11-017473-1
1894 Willibald Pschyrembel Pschyrembel Medizin ISBN 978-3-11-078334-6
1900 Arnold F. Holleman Lehrbuch der Anorganischen Chemie anorganische Chemie ISBN 978-3-11-017770-1
1914 Heinrich Dubbel Taschenbuch für den Maschinenbau Maschinenbau ISBN 978-3-642-17305-9
1936 Ernst Neufert Bauentwurfslehre Bauplanung ISBN 978-3-658-21876-8
1938 Otto Palandt Palandt: Kurzkommentar zum BGB Rechtswissenschaft ISBN 978-3-406-80470-0
1947 Hermann Römpp Römpp Lexikon Chemie Chemie ISBN 978-3-13-734610-4
Ab 1950 Lew Landau und Jewgeni Lifschiz Lehrbuch der theoretischen Physik Physik Mehrere Ausgaben, u. a. in der DDR im Akademie Verlag; ins Englische bei Pergamon Press/Butterworth-Heinemann; Weiterhin verfügbar bei Europa-Lehrmittel
1960 Günter Wöhe Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre Betriebswirtschaftslehre ISBN 978-3-8006-4687-6
1969 Simon Sze Physics of Semiconductor Devices; später auch auf Deutsch verfügbar: Physik der Halbleiterbauelemente Elektrotechnik / Halbleitertechnik 1. Auflage 1969; 4. Aufl. 2021 (auch Deutsch), siehe die Profilseite für Details.
1969 K. H. Leiser und später J. V. Kratz Einführung in die Kernchemie; später nur in Englisch verfügbar: Nuclear and Radiochemistry Chemie / Physik 1. Aufl. 1969; 4. Aufl. Englisch ISBN 978-3-527-34905-0

Durch Tod der Autoren der Erstausgaben haben weitere Autoren bei nachfolgenden Auflagen für die Fortführung, Aktualisierung und Weiterentwicklung der Werke gesorgt. So gibt es beim „Wöhe“ als Nachfolger Ulrich Döring und Gerrit Brösel. Der BGB-Kommentar von Otto Palandt wurde im Dezember 2021 mit der 81. Auflage in „Grüneberg“ (nach Christian Grüneberg) umbenannt.

Benennung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Standardwerke sind in ihren Fachgebieten häufig unter den Namen ihrer Autoren bekannt. Die Bezeichnung eines Standardwerks nach dem Familiennamen seines ursprünglichen Verfassers oder Bearbeiters wird wegen ihrer Bekanntheit (und zur Ehrung des betreffenden Wissenschaftlers) meist auch dann beibehalten, wenn das Werk in der Zwischenzeit so grundlegend überarbeitet wurde (womöglich sogar mehrmals), dass eigentlich nur noch sehr wenig vom ursprünglichen Inhalt vorhanden ist und daher kaum noch etwas vom namensgebenden Verfasser stammt.

Referenzwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben den oben genannten Beispielen existieren in verschiedenen Fachdomänen sog. Referenzwerke. Diese Serien umfassen teilweise weit mehr als 20 Bände und werden häufig auch als Enzyklopädien betitelt. Einige Beispiele folgen.

Viele weitere „Standardserien“ existieren, darunter sehr viele „Handbuchserien“ oder einzelne Handbücher, die als Referenzen in ihrem Fachgebiet gelten.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Klaus-Michael Bogdal: Wissenskanon und Kanonwissen. Literaturwissenschaftliche Standardwerke in Zeiten disziplinären Umbruchs (MS Word; 162 kB). Text + Kritik. Zeitschrift für Literatur, 2002
  2. Alois Hahn: Kanonisierungsstile In: A. Assmann, J. Assmann (Hg.): Kanon und Zensur. S. 32. Zitiert nach Klaus-Michael Bogdal: Wissenskanon und Kanonwissen. Literaturwissenschaftliche Standardwerke in Zeiten disziplinären Umbruchs (MS Word; 162 kB). Text + Kritik. Zeitschrift für Literatur, 2002, S. 37.
  3. Florian Josef Hoffmann, Occupy Economics: Ideen für Revolutionen (und Piraten), 2012, S. 29
  4. Elke Hentschel, Harald Weydt: Handbuch der deutschen Grammatik. 3. Auflage, W. de Gruyter, 1990, ISBN 978-3-11-011596-3, S. 453 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Majed F. Saʿid: Review of „A Dictionary of Modern Written Arabic“ by Hans Wehr. In: Language. 38, Nr. 3, 1962, S. 328–330, JSTOR:410799.
  6. W. Hackbusch, H. R. Schwarz, Eberhard Zeidler, Ilja N. Bronstein: Teubner – Taschenbuch der Mathematik. 2. Ausgabe. Vieweg+Teubner Verlag, 2003, ISBN 978-3-519-20012-3, S. 1257 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).